Schwäbische Post, 29.04.2011
 
Soziales Schmiermittel
Warum es sich lohnt, eine Veranstaltung zu besuchen, die einen zum Lachen bringt
 
»Lachen ist soziales Schmiermittel«, das sagt Dr. Michael Titze, Gründungsvorsitzender des Vereins HumorCare Deutschland. Und weil am 1. Mai nicht nur Tag der Arbeit, sondern auch der Weltlachtag ist, soll an dieser Stelle von der Wichtigen Bedeutung des Lachens gesprochen werden. Denn ein lachreicher Besuch bei einem Kabarettisten oder Comedian ist sehr gesund.
 
 
Lachen ist bekanntlich gesund, aber wer ist eigentlich besser für die Gesundheit: Mario Barth oder Dieter Hildebrandt – oder ist es letztlich egal, über wen man lacht?

Richtig, aus meiner Sicht ist es egal, worüber jemand lacht. Wichtig ist vor allem, wie man zum Lachen kommt. Die Humorforschung spricht von einem Lachnetzwerk, über das man an verschiedenen Stellen einsteigen kann. Involviert sind drei Komponenten, nämlich die kognitive (die all das registriert, was komisch ist), dann die emotionale (die Heiterkeit hervorruft) und schließlich die motorische Komponente (die sich auf Muskelreaktionen bezieht). Sowohl Mario Barth wie auch Dieter Hildebrandt bringen uns über die kognitive Komponente in eine heitere Stimmung, aus der heraus sich dann die motorische Lachreaktion entwickelt.

Welche sind die positiven gesundheitlichen Auswirkungen des Lachens?

Lachen scheint keinen anderen biologischen Nutzen zu haben, als den Menschen vorübergehend vom Stress zielgerichteter Tätigkeiten zu erlösen. Es wirkt sich wellenförmig auf die gesamte Muskulatur aus, die Atemfrequenz steigt, die Lungenfunktion verbessert sich, Glückshormone werden ausgeschüttet, das Immunsystem ist aktiver.

Spart man sich so das Fitnessstudio?

Der Effekt scheint tatsächlich so zu sein, dass Lachen körperliche Bewegung ersetzt. Jemand der im Rollstuhl sitzt, kann schlecht im Fitnessstudio trainieren. 45 Minuten lachen können für ihn das Workout aber durchaus ersetzen: Man kommt dabei unweigerlich ins Schwitzen, die Herztätigkeit wird angeregt, der Kreislauf wird stimuliert – um nur einige der Veränderungen zu nennen, die sich im Organismus ergeben.

Und wie oft am Tag sollte man lachen?

Eben mal kurz lachen bringt gar nichts. Erst ein herzhaftes Lachen, das mindestens zehn Minuten dauert, erzielt die positiven Auswirkungen, von denen ich eben gesprochen habe. Das ist im stillen Kämmerlein aber kaum zu schaffen. Ein Besuch bei einem Comedian ist da zielführender, da sich die Aufführung über zwei Stunden hinziehen kann. Allerdings wechseln sich dort relativ kurze Lachphasen mit Unterbrechungen ab. Bei einer Lachyoga-Session wird dagegen fast ununterbrochen gelacht – und das fast eine Stunde lang.

Ist eigentlich ein Muskelkater möglich?

Natürlich, denn beim Lachen handelt sich schließlich um eine motorische Aktivierung, die viele Muskeln einbezieht. Diese werden zunächst angespannt und danach – langfristig – wieder entspannt. Daher kommt auch das Sprichwort, sich vor Lachen in die Hosen zu machen: Der Schließmuskel wird eben auch entspannt.

Woran erkennt man denn ein ehrliches Lachen?

Bereits seit dem 19. Jahrhundert weiß man, dass beim echten Lachen immer die Muskeln im Augenbereich aktiviert werden. Es entstehen dabei die sogenannten Lachfältchen, die ein untrüglicher Hinweis dafür sind, dass das Lachen ehrlich ist.

Lachen wir alle zu wenig?

Es gibt Untersuchungen, dass es früher mehr Lachgemeinschaften gab, in denen Lachen aus einem unmittelbaren Kontakt heraus entstand. Da saßen die Menschen zum Beispiel zusammen in der Kneipe und haben sich Witze erzählt. Heute sucht man sich dagegen andere, anonymere Stimulationen und Anregungen, deshalb auch der Boom der Comedy. Der neueste Trend kehrt dies aber teilweise wieder um: Man geht zunehmend in Lachclubs, weltweit soll es bereits bis zu 5000 davon geben. Es lässt sich also nicht sagen, dass weniger gelacht wird, wohl aber, dass heute anders gelacht wird.

Welche öffentliche Person hat Ihrer Meinung nach zu lange nicht mehr herzlich gelacht?

Das ist bei vielen Politikern so. Die machen sich das zu selten bewusst, dass sie auch nach ihrem Gesichtsausdruck beurteilt werden. Dann wird man auch viel schneller zum Spottobjekt für Karikatur und Kabarett. Man macht eben diejenigen gerne nach, die ein verbissenes Gesicht zeigen.

Sie sind Verfechter des sogenannten Yogalachens – wem begegnet man dort?

Es scheint mir so, dass vor allem schüchterne Menschen, vielleicht sogar solche, die an sozialen Phobien leiden, dort hingehen, um sich von Einsamkeit oder Scheu zu befreien. Beim Lachyoga handelt es sich im Grunde um anonyme Gruppen, keiner muss sich in der Runde vorstellen oder mit den anderen reden. Aus dieser Bewegung entstammt übrigens auch der Weltlachtag am ersten Sonntag im Mai.

Ist es richtig, in England gibt es Lachtherapien bereits auf Rezept?

Zumindest wurde eine Zeit lang damit experimentiert. Aber vor allem in Amerika gibt es sogenannte Humorberater, die in Krankenhäusern arbeiten, um die Atmosphäre dort entsprechend zu verbessern und das Personal zu schulen. Vorreiter ist Patch Adams, dessen Leben bereits verfilmt wurde. Auch bei uns gibt es die Klinikclowns.

Sie schreiben auf Ihrer Webseite: »Humorvolle Menschen sind erfolgreicher« …

Lachen ist ein soziales Schmiermittel. Wer uns offen und ehrlich ins Gesicht lacht, dessen Emotionen spiegeln wir spontan und unwillkürlich – und umgekehrt. Sind zwei Menschen in Heiterkeit miteinander verbunden, dann werden sie sich in aller Regel mögen. Und das ist mitunter auch sein Geld wert.