Ludwigsburger Kreiszeitung, 17.08.2016, S. 16
 
Lachen gilt längst auch als Therapie
 
Von Angelika Baumeister

Humor kann heilen, weil er Ängste nimmt, Situationen entspannt und Distanz zu sich selbst schafft.
 
 

Auf dem früheren Getrag-Gelände in der Ludwigsburger Weststadt laufen nicht nur Zahnräder ineinander, hier gibt es jetzt auch eine Humorfabrik. In Seminaren wird dafür gesorgt, dass die Menschen das Lachen nicht verlernen.

Humor ist wichtig für die seelische Gesundheit, aber den Menschen vergeht allzu oft das Lachen. Schuld sind ein übermäßiger Perfektionismus sowie der hohe Anspruch an sich selbst und andere. Nur Leistung zählt, sonst nichts, Leichtigkeit und Lockerheit bleiben auf der Strecke, die Folge ist eine bedenkliche Zunahme an seelischen Erkrankungen.

»Humor relativiert und wenn der Mensch in der Lage ist zu relativieren, dann steht er nicht mehr so unter Spannung«, sagt der Psychologe, Psychotherapeut und Psychoanalytiker Dr. Michael Titze. Er war vor 15 Jahren Begründer von Humor Care Deutschland Österreich (HCDA), ein Verein, der die fundierte Anwendung von Humor in klinischen, psychosozialen, pädagogischen und beratenden Berufen fördert. Unter dem Dach von HumorCare wurde nun vor einem Jahr in der Hermann-Hagenmeyer-Straße in Ludwigsburg die HCDA-Akademie ins Leben gerufen. Dort findet am 22. Oktober eine Jahrestagung zum heilsamen Humor als Hilfe in der Not statt.

In der Akademie werden Seminare für ganz verschiedene Branchen von den pädagogischen bis zu technischen Berufen angeboten. Auch in der Medizin spielt Humor eine wichtige Rolle. Klinikclowns bringen Patienten zum Lachen und nehmen ihnen auch die Schmerzen. Mit Torsten Fuchs (Clown Theo) und Ludger Hoffkamp (Clown Kampino) gehen zwei bekannte Ludwigsburger Klinikclowns in der Humorfabrik als Coach, Referenten sowie Trainer ein und aus. Längst wurde erkannt, wie Heiterkeit die Psyche beeinflusst und so hat sich inzwischen der therapeutische Humor etabliert. Die Auswirkungen des Lachens laut Titze: Die Gedankenwelt verändert sich und damit auch der Blick auf die als belastend empfundene Situation. Ein heiterer, lachender Mensch begegnet seiner Umwelt außerdem anders, er ist kontaktfreudiger und dadurch auch beliebter sowie sozial erfolgreicher. Eine Minute Lachen ist überdies genauso erfrischend wie 45 Minuten Entspannungstraining. Lachen hilft auch gegen Schmerzen, es stärkt das Immunsystem, löst innere Anspannungen und macht stressresistent. Also jede Menge Grund, Humor zu zeigen. Nicht als Witzeerzähler, sondern als Mensch, der auch die eigene Lächerlichkeit nicht scheut. Das bedeutet überdies, sich nicht so wichtig zu nehmen. »Statt uns zu perfektionieren, sollten wir mehr Mut zur Unvollkommenheit haben«, sagt Ludger Hoffkamp. Erika Kunz, erste Vorsitzende von Humor Care, betont, dass der therapeutische Humor tiefer geht, während der Witzeerzähler nur an der Oberfläche fischt.

Aus seiner Tätigkeit als Klinikclown weiß Hoffkamp, wie er mit seiner spontan-fröhlichen Art die Menschen zum Lachen bringt und ihnen gleichzeitig Ängste vor der Spritze oder der anstehenden Operation nimmt. Die Experten von HumorCare berufen sich dabei auf den Wiener Neurologen und Psychiater Professor Dr. Viktor Frankl (1905–1997), dem Begründer der Logotherapie, die neben der Psychoanalyse Sigmund Freuds und der Individualpsychologie Alfred Adlers als dritte Wiener Schule bezeichnet wird. Sein Ansatz: Der Mensch ist existenziell auf Sinn (Logos) ausgerichtet und nicht erfülltes Sinn-Erleben führt zu psychischen Erkrankungen. Die Logotherapie unterstützt dabei Patienten, Lebenslagen sinnvoll auszufüllen oder neu zu bewerten. Im Gespräch wird die jetzige Situation analysiert, es geht darum, den Patienten zu befähigen, an seiner Situation etwas zu ändern, auf Herausforderungen des Schicksals zu reagieren und sich nicht ausgeliefert zu fühlen. Frankl stand selbst dafür, er überlebte das Konzentrationslager Auschwitz, wo seine Frau, seine Mutter und sein Vater von den Nazis umgebracht wurden. Er sagte nach Kriegsende trotzdem Ja zum Leben. Und genau das ist auch der Ansatz der Humortherapie. Die Krankheit annehmen und sich aktiv damit auseinandersetzen statt über das Warum nachzudenken.


Jahrestagung mit renommierten Experten in Sachen Humor

Ist heilsamer Humor eine Hilfe in der Not? Diese Fragen stellen sich die Referenten bei der Jahrestagung am Samstag, 22. Oktober 2016 in der Ludwigsburger Humorfabrik in der Hermann-Hagenmeyer-Straße 1. Mit dabei sind zwei Experten, die den Humor auch in der Trauma-Therapie anwenden.

Die international anerkannte Chefärztin der Stuttgarter Fliednerklinik, Prof. Dr. Barbara Wild, stellt im zentralen Vortrag das von ihr entwickelte Humortraining vor und der Berliner Arzt und Psychotherapeut Dr. Karl-Heinz Bomberg berichtet über Humor bei politischer Traumatisierung. Mit von der Partie ist zudem der Schweizer Beat Hänni, der Manager in der Industrie war, bevor er sich zum Clown ausbilden ließ und Humor als Notfallprävention im Alltag vorstellt. Das Thema des Berliner Religionswissenschaftlers und Buchautors Harald-Alexander Korp: Achtsamkeit und Humor – mehr Freude erleben. Die erste Vorsitzende von HumorCare Erika Kunz präsentiert in einem Workshop den Clown als Meister der Lebenskunst und Klinikclown-Pionier Paul Kustermann berichtet von der Kunst des Schwebens. Dr. Michael Titze bietet einen Workshop zu Humor in Körpersprache und Rhetorik an. In weiteren Workshops machen die Ludwigsburger Klinikclowns Torsten Fuchs und Ludger Hoffkamp den Alltagstest zum Thema Humor. Hoffkamps Fazit: Der Clown ist ein Krisenmanager.

Die Veranstaltung beginnt um 9.30 Uhr und endet gegen 17.30 Uhr. Um 19 Uhr folgt Kabarett mit Rosenblum & Otterle. Deren Credo: Erfolg durch Misserfolg.
Anmeldungen zur Jahrestagung sind per E-Mail unter geschäftsstelle@humorcare.com möglich. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.humorcare.com. (red)