ORF ON Science: Medizin und Gesundheit, 1999
Neues aus der Welt der Wissenschaft: Lachen macht gesund
Lachen ist nicht nur Ausdruck von Heiterkeit, sondern wirkt auf Körper und Seele. Es hilft in allen Lebenslagen meint etwa der »therapeutische Clown« Erika Kunz. Wie ihr Kollege, der Psychotherapeut Michael Titze, glaubt auch sie an die heilende Kraft des Lachens.

Autor: APA/Österreichischer Rundfunk

Zwei Sekunden Heiterkeit

Das Zwerchfell hüpft, der Puls rast, die Pupillen werden groß, die Fingerkuppen feucht, die Beinmuskulatur erschlafft, und mit gut 100 km/h bläst der Atem aus dem Mund. Zwei Sekunden und sieben schnelle Ha-Ha-Has dauert in der Regel ein einziger Lacher. Der Mann lacht mit mindestens 280 Schwingungen pro Sekunde, bei einer Frau sind es sogar 500.

Medikament Lachen

Laut Titze wird durch das Lachen die Atmung stark angeregt, so dass es zu einem beschleunigten Austausch von verbrauchter und mit Sauerstoff angereicherter Luft kommt. Dadurch werden die Verbrennungsvorgänge im Körper gefördert. Der Herzschlag wird nach seiner Beschreibung zunächst beschleunigt, um sich bald deutlich zu verlangsamen, so dass der Blutdruck gesenkt wird. Die Muskulatur entspannt sich. Insgesamt kommt es zu einer besseren Durchblutung. Stresshormone werden abgebaut und die Verdauungsdrüsen angeregt.

Gelotologie

Gelotologie ist die Lehre vom Lachen. Die Wissenschaftler nennen sich Gelotologen, einem Begriff, der sich ableitet vom griechischen »gelos« = Gelächter. Gelotologen arbeiten in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, die sich um die genauere Erforschung des Lachens bemühen und die Entstehung des Humors beim Kleinkind untersuchen. Weltweit forschen etwa 200 Psychologen, Immunologen, Neurologen, Stressforscher u. a. auf diesem Gebiet.

Lachen gegen Schmerzen und Infektionen

Studien der Gelotologie ergaben, dass Schmerzpatienten nach nur wenigen Minuten Lachen eine Erleichterung erfahren, die mehrere Stunden anhalten kann.

Aber auch das körpereigene Immunsystem wird durch Lachen aktiviert. So können Blutinhaltsstoffe deutlich vermehrt werden, die für die Immunabwehr wichtig sind. Auch T-Zellen, die den Körper gegen viele Krankheitserreger schützen, nehmen durch das Lachen zu.

Lachen und das Immunsystem

Die körpereigene hormonartige Substanz Gamma-Interferon aktiviert und koordiniert die Produktion von mehreren körpereigenen Abwehrstoffen, während sogenannte Killer T-Zellen bereits infizierte Zellen vernichten.

Der amerikanische Immunologe Lee S. Berk hat festgestellt, dass bei lachenden Personen die Blutwerte von Gamma-Interferon, Killer-Zellen und Antikörpern steigen. Selbst einige Tage nachdem man sich, zum Beispiel, einen lustigen Film angesehen hat, sind wesentlich höhere Werte feststellbar, als bei Menschen, die in den letzten Tagen keinen Grund zum Lachen hatten.

Lachen gegen Stress

»Lachen ist der größte Feind des Stresses«, sagt Erika Kunz. Statt Stresshormonen werden beim Lachen Glückshormone, sogenannte Endorphine ausgeschüttet. Selbst unter größten Arbeitsbelastungen würden sich auf diese Weise Verspannungen lösen. Wer die Mundwinkel hochzieht, richtet sich automatisch auf und vermeidet eine traurige Grundhaltung, erklärt sie. Selbst gegen Verstopfung, Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit soll es helfen, sagt Kunz.

Lachen in der Therapie

Immer mehr Psychologen und Mediziner beschäftigen sich mit der therapeutischen Anwendung von Humor und Lachen im Spital und während einer Therapie. Vor allem in der Psychiatrie und Psychologie erhofft man durch den gezielten Einsatz von Humor in der Therapie bessere Erfolge zu erzielen.

Denn aus psychosomatischer Sicht besteht die gesundheitsfördernde Wirkung des Lachens hauptsächlich aus der Überwindung von Widrigkeiten. So kann Lachen der Beginn eines Weges aus einer scheinbar unüberwindlichen Situation sein. Denn der Hauptauslöser des Lachens ist ja das plötzliche Erkennen von Zusammenhängen. Werden die Zusammenhänge einer belastenden Situation erkannt, dann löst sich die innere Anspannung in Form von Lachen.

Clinic-Clowns

Die Forschungsergebnisse der Gelotologie haben zur Einrichtung der sogenannten »Clown-Doktoren« geführt. Dabei handelt es sich um Spaßmacher, die sich bei den Ärzten nach dem Befinden der Patienten erkundigen und diese - nach Absprache mit den Medizinern - gezielt aufheitern, sich ihre Probleme und Sorgen anhören. Ziel der Clowns ist die Lockerung der oft tristen Klinik-Atmosphäre. Sie möchten die Patienten zum Lachen bringen und so zu ihrer schnelleren Genesung beitragen. Clown-Doktoren gibt es auch in Österreich.

Die Veränderung der Gedankenwelt durch Lachen

Es lockern sich beim Lachen also nicht nur die Gesichtsmuskeln, sondern auch die Gedankenmuster. Es kommt zu einer veränderten Sicht der Dinge. Dem Patienten wird es möglich, seine Situation, die darin involvierten Personen und sich selbst, mit etwas Abstand und aus einer neuen Perspektive zu sehen.

Durch diese veränderte Sichtweise ist es dem Betroffenen möglich, seine - als belastend empfundene - Situation zu überdenken und neue Lösungsansätze für sein Problem zu finden.

Auswirkung des Lachens auf die Psyche

Ein heiterer, lachender Mensch begegnet seiner Umwelt anders als ein pessimistischer Mensch. Bedingt durch größeren Mut und Gelassenheit in Kombination mit geringerer Nervosität sind fröhliche Menschen kontaktfreudiger, bei anderen beliebter und dadurch sozial erfolgreicher. Das bedeutet, der Lachende hat andere soziale Bezüge, eine sehr spezifische Interaktion mit anderen Menschen und eine besondere Intraaktion. Er reagiert also auch auf seine eigenen Gefühle und Bedürfnisse anders als ein pessimistischer Mensch.

Die vielen Bedeutungen des Lachens

Lachen kann eine Vielzahl von Bedeutungen haben. So ist es z.B. ein Ausdruck von Aggression, wenn wir jemanden auslachen, gemeinsames Gekicher im Bett kann Ausdruck sexueller Erregung sein, während das freundliche Grinsen im Vorübergehen die Funktion eines Grußes hat. Wir lachen schließlich nicht nur, wenn wir fröhlich sind, sondern auch, wenn wir nervös sind, Angst haben oder gekitzelt werden. Verhaltensforscher unterscheiden 18 verschieden Arten von Lächeln. Aber nur eine einzige Variante ist der Ausdruck spontanen, ehrlichen Vergnügens.

Das echte Lächeln

Beide Mundwinkeln ziehen sich gleichzeitig nach oben, das ehrliche Lächeln beginnt also immer symmetrisch und ist mit Krähenfüßchen um den Augen gekoppelt. Die anderen sozial, abgeschwächten Varianten des Lächelns beginnen immer leicht asymmetrisch. Offensichtlich ist der Mensch nicht in der Lage, das komplexe, motorische Muster »Lächeln« bewusst, ohne humorig-freudigen Auslöser, anzuschalten.

So erfrischend wie 45 Minuten Entspannungstraining

Lachen soll auch ein wirksames Mittel gegen Frühjahrsmüdigkeit sein. Lachforscher fanden heraus, dass eine Minute Lachen ebenso erfrischend sein soll wie 45 Minuten Entspannungstraining. Außerdem soll es dem Mann zu mehr Potenzkraft verhelfen. Und schließlich fördert es die Kreativität, wie Kunz berichtet. So schicken Unternehmen ihre Mitarbeiter in Lachseminare. »Das kontrollierende Denken und Handeln wird durch das Lachen aufgelöst«, sagt die Therapeutin. Die geordneten Gedanken werden unterbrochen.