BR-Fernsehen »Sprechstunde« vom 20.02.2003
Lachen ist die beste Medizin
Moderatorin Dr. A. Kühnemann (gekürzt)
Dr. Kühnemann: »Guten Abend verehrte Zuschauer. Lachen ist die beste Medizin. Wissen tun wir das schon, aber was ist, wenn es nichts zu Lachen gibt? Wenn Probleme einfach drücken. Kann man dann trotzdem lachen? Das geht doch gar nicht.
Es geht doch. Den besten Beweis hat ein englischer Journalist vor vielen Jahren erbracht. Er heißt Norman Cousins und er bekam eine ganz schwere rheumatische Muskelerkrankung und er lag in der Klinik und hat sich überlegt, warum trifft mich das jetzt eigentlich? Er stellte fest, er hatte enormen Stress gehabt. Misserfolge und gleichzeitig hat ihm die ganze Anstrengung überhaupt nichts genützt, die Stimmung war schlecht und dann bekam er auch noch diese Erkrankung.
Dann hat er gedacht, wen dass möglicherweise die Auslösung mitbewirkt hat, dann müsste doch auch umgekehrt die Tatsache, dass ich mich befreie, ja dass ich lache, dass ich guter Stimmung werde, mich wieder gesund machen. Also hat er sich Kassetten von Candid Camera besorgt, das war damals die Vorläufersendung von unserer Versteckten Kamera, ist in ein Hotel gegangen und siehe da, er hat sich tatsächlich gesund gelacht.
Können wir das auch? Können wir so etwas nachvollziehen? Können wir das nachmachen? Können auch wir gesund werden mit Lachen?
Also, diese Fragen wollen wir beantworten. Natürlich auch den neuesten Wissensstand, den es dazu gibt, Ihnen sagen und als aller erstes begrüße ich einen Wissenschaftler, der sich mit dem Lachen beschäftigt.
Herr Professor Niemitz, Sie sind ja Kommunikationswissenschaftler, also diese Kontaktaufnahme, das miteinander ins Gespräch kommen. Aber nicht nur zwischen Menschen, deshalb gleich die erste Frage: Können eigentlich nur Menschen lachen?«

Prof. Niemitz:
»Außer den Menschen können auch die Schimpansen lachen. Und sie tun das genauso wie der Mensch, von Gesicht zu Gesicht mit der Mimik, aber sie können es nicht so gut vokal, also nicht so gut akustisch. Das heißt also, Lachen ist bei den Affen noch etwas, was visuell geht, mimisch geht, und bei den Menschen ist hinzugekommen, dass sie es richtig laut machen können, das gibt auch eine bindende Funktion. Während man auch die andere Funktion, nämlich das Auslachen bei den Affen noch nicht untersucht hat.«

Dr. Kühnemann:
»Jetzt differenzieren wir schon. Sind Sie deshalb auch zu der Meinung gekommen, dass wir nicht von den Affen abstammen, sondern dass wir mit denen ganz einfach verwandt sind.«

Prof. Niemitz:
»Wenn ich gefragt werde, ob wir vom Affen abstammen, dann sage ich: nein, wir stammen nicht vom Affen ab, wir sind welche, deswegen ist das ja auch so ähnlich.«

Dr. Kühnemann:
»Ja, ja. Jetzt haben Sie aber auch schon so etwas angedeutet, also die verbindende Funktion. Dann aber auch das Auslachen. Jetzt differenzieren wir das mal. Also welche Bedeutung hat Lachen für uns Menschen?«

Prof. Niemitz:
»Lachen ist also nicht nur etwas was Amüsement und Freude ist, sondern was Bindungen schafft. Das gilt in der Partnerschaft, aber es gilt auch für ganze Gruppen. Also, jemand erzählt einen Witz und dann sieht man, wer mitlacht oder wer vielleicht nicht mitlacht, d. h. also, es ist eine Bindung da oder ein Ausschluss, es ist ein ganz klares Signal innerhalb der Gruppe.«

Dr. Kühnemann:
»Sie sagen Ausschluss, Auslachen, das ist ja was schrecklich Gemeines.«

Prof. Niemitz:
»Ja. Deshalb ist ja auch in der Stammesgeschichte laut geworden, damit man als Nichtbeteiligter sofort wahrnimmt, gehöre ich dazu oder nicht. Kann ich mich dazugesellen, lustig sein oder muss ich misstrauisch sein, dass vielleicht andere diese freundliche Kommunikation mit mir nicht wollen?«

Dr. Kühnemann:
»Das Lachen ist tatsächlich nicht nur glücklichmachend, es hält uns gesund. Man sagt ja, 70 Prozent der Krankheiten wären vermeidbar. Warum? Stress ist so entscheidend. Ich hörte, dass man Verdruss möglichst streng vermeiden muss, sagt Wilhelm Busch, und das ist auch wirklich so. Oder stimmen Sie dem nicht zu, Herr Dr. Titze? Sie sind psychologischer Psychotherapeut.

Dr. Titze:
»Doch, ich stimme Ihnen zu. Ich bin überzeugt, dass Stress die Zeitkrankheit Nummer Eins ist. Was bewirkt Stress bewirkt eigentlich? Stress macht einen Menschen erst einmal körperlich schwach und schwächt die Immunabwehr. Aber auch emotional drückt Stress einen Menschen nieder bis in die Depression hinein. Das Lachen wäre der Versuch in gehobene Emotionen zu kommen, die den Stress kompensieren oder die Spannung auflösen.«

Dr. Kühnemann:
»Kann man nicht sogar sagen, man kann das weglachen? Und gerade, wenn Sie sich auch wissenschaftlich mit all dem beschäftigen, was da an Stoffen freigesetzt wird und andere werden ja dann unterdrückt, gibt es da also Erkenntnisse, dass diese Botenstoffe, die ja viel in unserem Körper bewirken, nachweisbar und messbar verändert werden, wenn man genug lacht?«

Prof. Niemitz:
»Ich bin davon überzeugt, und es gibt sehr viele Wissenschaftler, die das insofern bestätigen als sie sagen, es gibt diese Endorphine, also Morphium, Heroin, Glücksbotenstoffe, die der Körper selbst macht, wenn er sich bewegt, wenn er tief atmet, und genau das tut man beim Lachen: Es setzt an an die Belohnungssysteme unseres emotionalen Teil des Gehirns, und genau dort können sie dann auch ihre erhebende Wirkung entfalten.«

Dr. Kühnemann:
»Es geht ja auch über Emotionalität hinaus, weil Sie gerade sagten, wenn jemand niedergedrückt ist, wenn er Sorgen hat, jeder Infekt fliegt ihn an. Ist einer stabil, ist einer fröhlich, fliegt es ihn nicht so an. Haben wir inzwischen auch erkannt woran das liegt?«

Dr. Titze:
»Ich denke, dass der Körper eine eigene chemische Fabrik hat, die dann arbeitet, wenn gute Emotionen da sind, wenn alles im Lot ist. Unter dieser Voraussetzung kann man über sich selbst hinauswachsen. Wenn das der Fall ist, denke ich, wird man auch mit Krankheiten fertig, da die Immunabwehr gestärkt wird. Dann können natürlich auch Glückshormone produziert werden, was allerdings wissenschaftlich noch nicht ganz nachgewiesen ist. Aber auf jeden Fall ist der Mensch als Ganzes sehr viel besser drauf, um es mal einfach auszudrücken ...«

Dr. Kühnemann:
»Ja, aber man konnte die Endorphine tatsächlich messen und aber auch für die Immunabwehr die Balance ganz bestimmter Zellen.«

Prof. Niemitz:
»Man kennt es auch vom Umgekehrten. In dem Moment, wo ein Stress vorbei ist, weil das von einem abfällt, man plötzlich krank wird. Es kommt zu einem psychischen Auslöser für eine Krankheit oder für die Abwehr.«

Dr. Kühnemann:
»Man hat festgestellt, die sogenannten B-Lymphozyten sollen ansteigen. Neutrale Killerzellen, die mit der Krebsabwehr etwas zu tun haben, hat man natürlich in großen Studien auch gerade an Studenten gemessen, und gesehen, dass, was man schon immer wusste, weist die Wissenschaft inzwischen nach. Aber da gibt es auch geteilte Meinungen. Da sagen manche, warum müsst ihr das eigentlich alles. Die Hauptsache ist doch, dass man überhaupt lacht.«

Dr. Titze:
»Das Problem ist nicht, dass man lacht, sondern wie man zum Lachen kommt. Depressive Menschen haben das Lachen verlernt. Sie müssen erst wieder angeleitet werden, dass Lachen auf eine - ich würde sagen seriöse Weise - zu lernen, also nicht einfach ins Kabarett zu gehen oder sich Comedy-Sendungen anzuschauen, sondern mit der Hilfe eines erfahrenen Therapeuten ganz behutsam an etwas herangeführt zu werden, was ja auch immer etwas mit Aggressivität zu tun hat.«

Dr. Kühnemann:
»Lachen und Weinen liegen nah beieinander. Geht es nun um das Lachen oder um das Lösen von Emotionen, wie sehen Sie das Herr Dr. Titze?«

Dr. Titze:
»Man kann ganz einfach sagen, dass die Lebenskraft des Menschen, die sich im Lachen wie im Weinen entbindet, aktiviert wird. Wenn wir an unsere Lebenskraft herankommen, dann sind wir auch energetisch ganz anders gestimmt, als wenn diese Lebenskraft unterdrückt ist, z.B. in der Depression. Also das soll geweckt werden: Es sind Uremotionen, die sich im Lachen und im Weinen äußern, schon beim ganz kleinen Kind kann man das beobachten.«

Dr. Kühnemann:
»Also könnte ich genauso gut weinen, das fände ich traurig, denn dann wäre ich ja nicht so munter drauf und meine Abwehrkräfte würden dann nicht so gut funktionieren.«

Dr. Titze:
»Man kann ja beides. Man kann unter Tränen lachen und umgekehrt. Ich denke, dass ist das Schöne, beides miteinander verbinden zu können.«

Dr. Kühnemann:
»Also gut, den Lauf lassen, die Emotionen befreien und man sagt ja auch oft, man fühle sich wie neu geboren, frisch gebadet, hat Kraftzuwachs und genauso falsch wie es ist, die Tränen zu unterdrücken und angeblich stark zu sein. Was ist denn jetzt eigentlich der Unterschied Lachen oder Lächeln? Ist das Lächeln genauso wertvoll oder sind das zwei verschiedene paar Stiefel?«

Prof. Niemitz:
»Beim Menschen mischt es sich. Wir haben zunächst mal das reine Amüsement, das in einer niederen Intensität eben ein Lächeln bewirkt. Dann haben wir das freundliche Lächeln, das wir z.B. bei Begrüßungen im Gesicht sehen. Das stammt her von einem Rangsignal bei den Affen, von da haben wir das geerbt, d. h. nämlich entweder, ich habe Angst vor dir, oder es heißt, wenn ich einen Rang höher bin und habe keine Angst, heißt es, ich könnte Angst vor dir haben, d. h. ich verzichte jetzt auf meinen Rang ...«

Dr. Kühnemann:
» ... aber was beim Menschen? Heißt es, dir droht von mir keine Gefahr, ich bin dir freundlich gesinnt - einfach nur Kommunikation, sozusagen?«

Prof. Niemitz:
»Ja, das ist der eine Teil. Der andere Teil ist die persönliche Bindung aufzubauen, und die wird mit dem Lachen erzeugt, und das mischt sich jetzt, indem wir Freundlichkeit, Amüsement vom Lächeln her allmählich graduell bis zum Lachen hinauf erarbeiten können oder in der Alltagssituation eben einfach leisten.«

Dr. Kühnemann:
»Ist das zu theoretisch? Lachen tut man doch auch reflexartig. Da sieht man etwas, was einem komisch vorkommt und schon prustet man los, da hab' ich aber gar keinen Kontakt aufgebaut. Man hat so den Eindruck, da ist auch so etwas fast Instinktmäßiges. Man weiß ja aus Untersuchungen, dass das Lachen ja eigentlich auch angeboren ist, dass man das wirklich kann, auch wenn man nie etwas davon gehört oder gesehen hat.«

Professor Niemitz:
»Ja, das ist beim Menschen so. Wir haben z.B. bei uns durchgemessen, wie wir das sagen, dass dieses ganz spontane, das gewinnende, das tolle, super Lachen, dass man das im Gesicht feststellen und vermessen kann. Wir haben das erst einmal gemessen und dann haben wir die Bänder Menschen gezeigt und haben gefragt, welche gefallen besonders gut und welche sind nicht so toll. Dann haben wir wieder sortiert und haben in unsere Kurven geguckt, und da sieht man jetzt, dass also Augenschluss, also ein ganz schnelles Lachen, große Spontanität, gesehen werden muss, sonst glaubt es das Gegenüber nicht mehr.«

Dr. Kühnemann:
»Ja. Jetzt wollen wir es aber glauben. Sie wollen es therapeutisch einsetzen, und das ist nun die Frage, worüber lacht man denn dann? Das ist doch individuell sehr unterschiedlich. Wie wählt man das jetzt aus, wenn man es als therapeutische Methode einsetzen will, wie man die Einzelnen dann zum Lachen bringt und wo nicht?«

Dr. Titze:
»Also Erich Kästner hat schon gefragt, worüber lacht der Mensch. Die Antwort lautet: über Kontraste. Es ist so, wenn wir Kontraste wahrnehmen, dann können wir lachen. Stellen Sie sich einen Menschen in der Therapie vor. Er sieht das Leben nur noch einseitig, z.B. alles ist schwer und alles ist traurig und nicht lösbar. Wenn man Kontraste zu sehen lernt, kann man auch etwas Komisches wahrnehmen.«

Dr. Kühnemann:
»Was wäre denn ein solcher Kontrast?«

Dr. Titze:
»Stellen Sie sich einmal vor, dass jemand in einem schwarzen Anzug, silberner Krawatte und Bergschuhen zu einer Beerdigung geht. Das ist ein Kontrast, und darüber lachen z.B. Kinder. Ich denke, wenn wir in der Psychotherapie Menschen beibringen in ihrem Leben auf solche Kontraste zu sehen und etwas Komisches wahrzunehmen, z.B. in einer Neurose, dann können die Menschen auch über sich selbst lachen. Ich denke, das ist ein sehr therapeutisches Mitte in einer Therapie, in der Humor und Lachen verwandt wird.«

Dr. Kühnemann:
»Und vor allem eins, indem man sagt, der Arzt sollte sich doch lieber öfter selber auf den Arm nehmen, sonst wird's ja schnell verwechselt, als würde man nicht ernst genommen. Es ist ja ein schmaler Grad. Ich will mich angenommen fühlen in meiner schweren Krankheit, nehme es ihm vielleicht übel, wenn er da ausgerechnet irgendetwas Humorvolles sagt. Das ist doch wohl eine Frage von Fingerspitzengefühl.«

Dr. Titze:
»Der große Viktor Frankl, eigentlich der Begründer der humorbezogenen Psychotherapie, hat gesagt: 'Der Arzt darf sich nicht genieren seinen Patienten vorzusagen, ja vorzumachen, was es heißt, den Mut zur Lächerlichkeit zu haben!' Mut zur Lächerlichkeit ist identisch mit dem Akzeptieren von Kontrasten, von Gegensätzen: Ich muss nicht immer perfekt sein. Ich muss nicht immer der Beste sein. Ich kann auch ganz anders sein, und wenn ich beides integriere, das ganz Große und das ganz Kleine, dann entsteht das, was man den Mut zur Unvollkommenheit bezeichnet.«

Dr. Kühnemann:
»[...] Immer wieder kommt auch der Begriff der Schadenfreude. Ist das denn etwas besonders ursprüngliches, dass die meisten da am liebsten drüber lachen?«

Prof. Niemitz:
»Das liegt z.B. an dem Kontrast, der da in der Situation auch drin liegt. Also wenn jemand sein Slapstick hat, dann sieht man einerseits sein Bemühen, die Seriosität, das, was er will, und dann die Tücke des Objektes, die dadurch zum Kontrast wird und das macht es dann aus.«

Dr. Kühnemann:
»Ja, weil man sich oft so wundert, weil es ja auch manchmal richtig weh tut. Dass dann ausgerecht gelacht wird, wenn jemand sich weh tut, wenn jemand hinfällt. Hat das auch etwas damit zu tun, dass wir ja nicht alle von Haus aus ganz friedliebend sind? Dann kommt nämlich auch diese Verbindung, dass Lachen manchmal auch als Aggressivität gesehen wird.«

Prof. Niemitz:
»Ich denke, die Grenze ist genau dort, wo uns dieser Slapstickhumor im Halse stecken bleibt, weil wir merken, dieser Bogen wird überspannt, es ist nicht etwas harmloses, sondern eher etwas ernstes, und dann können wir uns auch gar nicht mehr darüber amüsieren.«

Dr. Kühnemann:
»Und der Unterschied zum Humor? Humor ist doch wenn man trotzdem lacht?«

Dr. Titze:
»Der Humor ist sozusagen die weiterentwickelte Lebensphilosophie des zivilisierten Menschen. Ursprünglich mussten unsere Vorfahren in grauer Vorzeit einfach stark und überlegen sein, um nicht unterzugehen. Lachen war in diesen Zeiten Ausdruck eines triumphierenden Lebensgefühls, einer Freude am Sieg über den Gegner. Diese Schadenfreude ist moralisch natürlich verwerflich, aber wir spüren noch heute ein klammheimliches Triumphgefühl, wenn der gefürchtete Kontrahent zu Boden geht. In diesem Augenblick sind wir eben besser dran! Wir spüren unsere Lebenskraft: das Gefühl, das mir die Gewissheit vermittelt, dass das Leben gar nicht so schlimm ist. Ich spüre in diesem Triumphgefühl unmittelbar: Ich kann leben, überleben, und ich kann vielleicht sogar besser leben als andere Menschen. Diese optimistische Lebenskraft gilt es natürlich auch in der Therapie zu wecken.«