SWR Fernsehen in Baden-Württemberg, Landesschau, 04.06.2010
 
»Lachen ist gesund« - und »Lachen macht gesund«.
 
 
Moderatorin Annette Krause
 
 
Annette Krause: Lachen ist gesund - das ist Ihre Aussage. Heißt das jetzt, dass sie als Humorforscher selbst viel lachen am Tag?

Michael Titze: Ich versuche es zumindest. Ich habe das Glück, dass ich bei HumorCare bin und von den anderen Mitgliedern fast jeden Tag Witze oder lustige Geschichten zugeschickt bekomme. Das macht auch der Webmaster von humor.ch, der größte Humor-Site in Europa.
Es ist sehr kreativ, wenn man mit Humor zu tun hat. Es wird einem dabei eine andere Welt aufgetan, in die man kurz hinein taucht und dann wieder im Ernst des Lebens ist. Dabei wird einem klar, dass das Leben mehr ist als nur der Alltag.

Annette Krause: Herr Titze, Sie haben einen tollen Job. Was bringt uns denn überhaupt das Lachen? Es bringt uns gute Laune, aber es bringt uns auch noch mehr.

Michael Titze: Es gibt seit 10, 15 Jahren fast jede Woche Berichte über die Heilkraft des Lachens und darüber, was sich beim Lachen im Körper abspielt: dass das Immunsystem gestärkt wird, dass Stresshormone abgebaut werden und vieles andere mehr. Das kann ich als bekannt voraussetzen. Aber für mich sehr wichtig ist, dass Humor eine andere Art des Denkens ist.

Annette Krause: Heißt das also, das humorvolle Menschen sind vielleicht sogar bessere Menschen?

Michael Titze: Ich würde sagen, sie sind klügere Menschen, sie beurteilen sich nämlich anders. Sie machen nicht den Fehler, dass sie sich in einer globalen Weise als ganz gut oder ganz schlecht beurteilen, sondern sie sind in der Lage sich auf Einzelheiten ein zu stellen.
Da gibt es dieses berühmte Beispiel mit der halben Flasche Wein, die nicht halb leer, sondern halb voll ist. Wer so denkt, hat mehr vor Augen als eine globale Perspektive. Ein humorvoller Mensch ist flexibel genug, sich auch in einer Situation, in der negative Aspekte bestehen - wie etwa das schlechte Wetter, das wir in den letzten Tagen hatten - auf etwas einstellen, das ein gutes Gefühl hervorruft. Deswegen sagt man: Humorvolle Menschen sind Optimisten. Das ist eben das, was ich seit vielen Jahren versuche, auch mit den Patienten, ist, dass man sich eben auch auf andere Aspekte des Lebens konzentriert.

Annette Krause: Jetzt konzentrieren wir uns aber mal ganz aufs Lachen. Sie haben ja schon gesagt, es ist nicht nur gesund, es macht vor allen Dingen auch Spaß und das zeigt jetzt Chris Pohl.

Chris Pohl: Lachen ist ansteckend. Das Lachen eines Kindes einfach unwiderstehlich. Mit etwa 4 Monaten beginnen die Kleinen uns damit um den Finger zu wickeln, auch wenn sie blind und taub geboren werden. Und wer als Baby viel zu lachen hatte, der geht auch später lachend durchs Leben.
Lachen, ein körperlicher Reflex, selbst in unpassenden Situationen lässt er sich nicht unterdrücken. Lachen ist völkerverbindend, unter Freunden selbstverständlich. Kinder lachen im Durchschnitt 400 mal am Tag, Erwachsene noch 15 mal. Schade, denn bekanntlich ist jeder Tag, an dem wir nicht lachen, ein verlorener Tag.

Annette Krause: So viel lachende Menschen, da bekommt man eigentlich sofort gute Laune. Allerdings Herr Dr. Titze, Sie haben ja jetzt auch herausgefunden oder untersuchen, das auch, dass Lachen nicht nur einen positiven Aspekt hat.

Michael Titze: Das ist ein großes Forschungsthema mit Zentrum in Zürich an der Universität, wo festgestellt wurde, dass etwa 10% der Bevölkerung das Lachen als sehr unangenehm erleben. Diese Menschen leiden unter Gelotophobie. Sie bewerten auch sehr wohlgemeinte, freundliche Formen des Lachens negativ. Wenn gelacht wird, beziehen sie dieses Lachen auf sich. Diese Menschen gehen davon aus, dass sie ein lächerliches Objekt sind, und das kann dann sehr schlimme Gefühle hervorrufen.

Annette Krause: Woher kommt, ich nenne es jetzt einmal so, eine Lachstörung?

Michael Titze: Man hörte ja vorhin, dass Kinder etwa 400 mal am Tag lachen und Erwachsene immer weniger. Ich nehme an, das hängt damit zusammen, dass Kinder in letzter Konsequenz dazu erzogen werden, ernst zu werden, damit sie sozialisiert werden, also so werden, wie man das von richtigen Erwachsenen erwartet. Manch einer kann dabei das Lachen verlernen.
Wenn diese Kinder dann sehr ernst werden, zu ernst, wenn sie sich (im Vergleich zu anderen Kindern) zu schnell zum Ernst des Lebens hin entwickelt haben, dann können sie schnell etwas komisch wirken. Sie passen dann auch nicht in die Klassengemeinschaft und laufen Gefahr, zu Außenseitern zu werden und als Streber oder altkluge Besserwisser dazustehen.
Das kann bei anderen Kind nicht selten Aggressionen hervorrufen. Und dann schließt sich die Gruppe der Anderen, die das noch können, die noch fröhlich, heiter und ungezwungen sein können, dann schließt sich diese Mehrheit zusammen und macht das als komisch erlebte Kind zum schwarzen Schaf.
Diese Außenseiterposition gehört nach der Theorie der Lachforschung unbedingt dazu. Gerade unter dieser Voraussetzung kann sich nämlich eine Lachgemeinschaft bilden. Denn man braucht den komischen Außenseiter, um sich als eine Gruppe, als eine heitere Gruppe zu definieren. Das ist leider so.
Das wird teilweise auch in den Comedys vermittelt und wir kennen das ja auch vom Clown, der sich gezielt in die Position des komischen Außenseiters begibt.

Annette Krause: Der Clown der freut sich ja, wenn über ihn gelacht wird, aber bei diesen Menschen ist es eben nicht so. Wie kommen diese Menschen aus so etwas wieder heraus? Empfiehlt sich da tatsächlich eine Therapie?

Michael Titze: Wir sagen manchmal, dass komische Menschen nichts anderes sind als unfreiwillige Clowns. Sie machen nämlich alles, was ein Zirkusclown auch macht. Dieser stolpert bekanntlich über seine eigenen Füße und benimmt sich tapsig und ungeschickt. Zudem ist er meistens auch noch sehr ernst. Gute Clowns sind nie so richtig fröhlich und dadurch machen sie sich zwingend zu einem Objekt des Gespötts. Diejenigen, die das im Gegensatz zum professionellen Clown unfreiwillig machen, empfinden diese Position als sehr belastend und leiden darunter.

Annette Krause: Aber was können diejenigen dann machen, die das unfreiwillig machen? Haben sie da einen kleinen Tipp?

Michael Titze: Das kann ich Ihnen ganz leicht sagen: Sie müssen lernen, das ist eine paradoxe Sache, sie müssen lernen, das was sie bisher unfreiwillig gemacht haben, fortan freiwillig zu tun. Da gibt es jetzt diese weltweite Bewegung der Lachclubs, wo gerade auch Menschen, die dieses Problem haben hingehen können und wo sie dann lernen können, sich bewusst so zu verhalten, dass sie für die Anderen ein Anlass zum Lachen sind. Aber sie machen das in diesem Fall freiwillig. Und weil sie das freiwillig machen, ist es irgendwann dann nicht mehr etwas Beschämendes, sondern der gewünschte Erfolg eines Komikers. Es soll einige geben, die es geschafft haben aus solchen Gruppen auf die Bühne zu kommen, um dann als richtige Profis die anderen zum Lachen zu bringen.

Annette Krause: Das ist doch toll und auch wieder ein Grund zum Lachen. Ich nehme auf jeden Fall so viel mit: Lachen ist gesund und mehr als einmal täglich die beste Geschichte, die man sich eigentlich vornehmen kann.