Lachen ist die beste Medizin
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Von Michael Titze
Lachen ist ein echter Gesundbrunnen. Es verbessert die Lungenfunktion, versorgt das Gehirn mit einer Sauerstoffdusche und massiert die inneren Organe. Die Immun-abwehr steigt, Stresshormone bauen sich ab und Glückshormone werden freigesetzt. Wer regelmäßig ausgiebig lacht, tut also eine Menge für seine Gesundheit.
[Quelle: UGB-Forum 6/02, S. 286-289]
Vor etwa 30 Jahren entdeckte der Journalist Norman Cousins die heilende Wirkung des Lachens. Cousins überwand durch eine selbst erdachte Lachtherapie und seine positive Einstellung eine als unheilbar geltende Erkrankung des Knochengewebes. Er zog vom Krankenhaus ins Hotel und nahm sich vor, möglichst viel und intensiv zu lachen. Dazu schaute er sich täglich stundenlang lustige Slapstick-Filme an und ließ sich witzige Bücher vorlesen. Nach seinen Lachanfällen ließen die Schmerzen jeweils für eine begrenzte Zeit nach und die Entzündung in den Gelenken ging allmählich zurück. Letztendlich wurde Cousins wieder völlig gesund. Durch diesen Erfolg ermutigt, beschäftigte sich die Wissenschaft intensiver mit der Lachforschung, die Gelotologie genannt wird (gelos = Lachen). Mittlerweile kann die junge Forschungsdisziplin messbare und meist eindeutige Ergebnisse vorweisen.


Was passiert beim Lachen?

Der Pariser Neurologe Henri Rubinstein, der sich schon seit Jahren mit der Lachforschung beschäftigt, definiert das Lachen als »eine unwillkürliche Körperreaktion auf eine als angenehm empfundene Emotion«. Diese Reaktion scheint keinen anderen biologischen Nutzen zu haben, als den Menschen vorübergehend vom Stress zielgerichteter Tätigkeiten zu erlösen. Folgerichtig spricht der Literat Arthur Koestler von einem »Luxusreflex«, der nur dem Menschen zu eigen ist.

Lachen wirkt sich wellenförmig auf die gesamte Muskulatur aus. Die Nase legt sich in Falten, die Nasenlöcher weiten sich. Der Kopf wird zurückgeworfen, die Augen schließen sich. Besonders betroffen sind die flachen Muskeln im Gesichtsbereich, das heißt die Stirn- und Schläfenmuskeln, die Muskeln des kleinen und großen Jochbeins sowie die von Lippen und Augenlidern spannen sich an. Insgesamt sind am Lachen etwa 17 Gesichtsmuskeln beteiligt. Den typischen Gesichtsausdruck formt dabei der Zygomaticus-Muskel. Das ist der Gesichtsmuskel, der über das Jochbein verläuft und den Mund nach oben zieht.


Die Atmung wird intensiver

Beim Lachen öffnen wir den Mund, weil sich die Atemfrequenz vervielfacht. Wir atmen tiefer und länger ein, während die Ausatmung nur kurz ist. Auch die Brustmuskeln sowie das Zwerchfell, ebenfalls ein großer Muskel, werden aktiviert. Das schafft die Voraussetzung für einen erhöhten Gasaustausch in der Lunge und steigert die Atemkapazität deutlich. Auf die Eingeweide übt die Anspannung des Zwerchfells eine Art Massage aus, was sich wiederum günstig auf die Darmaktivität auswirkt. Da das Lachen auch die unwillkürliche glatte Muskulatur anregt, weiten sich die Bronchien, so dass die Durchlüftung der Lungen verbessert wird. Beinahe das gesamte Luftvolumen der Lunge pressen wir beim Lachen stoßweise heraus. Dadurch ist auch der Kehlkopfbereich mitbetroffen, was die Stimmbänder aktiviert. Es entstehen die typischen stakkatoartigen Lachlaute.
Durch den intensivierten Gasaustausch in der Lunge reichert sich das Blut mit Sauerstoff an. Dies ist für die Verbrennungsvorgänge im Körper von Bedeutung: Fettstoffwechsel und die Ausscheidung von Cholesterin sollen dadurch günstig beeinflusst werden. Ein Abfallprodukt dieses Verbrennungsvorgangs ist die Kohlensäure, die bei der Lachatmung komplett ausgestoßen wird. Die Vorratsluft in den Lungen wird so fast vollständig entleert. Rubinstein schätzt, dass der Gasaustausch während des Lachens drei- bis viermal so hoch ist wie im Ruhezustand. Die oberen Luftwege werden außerdem, ähnlich wie beim Husten, von störenden Sekreten befreit. Rubinstein weist in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung des Lachens als heilgymnastische Atemtherapie hin. Viele Menschen atmen zu kurz und zu flach. Gerade bei ängstlichen Patienten lässt sich das Atmen mit offenem Mund und ohne Atempause beobachten. Es ist jedoch gerade diese Atmung, die Angst hervorruft bzw. steigert. Denn durch das flache Atmen wird zu viel Kohlendioxid ausgeatmet und es kommt zu einer respiratorischen Alkalose. Diese Alkalose, die das Säuren-Basen-Gleichgewicht stört, ist für eine neuromuskuläre Übererregbarkeit verantwortlich. Lachen vertieft dagegen die Atmung, die dieses Ungleichgewicht bekämpft und die Angst vermindert.


Unser Körper produziert Glücksgefühle

Lachen bringt komplizierte neurologische Strukturen in Gang. Im Jahre 1953 entdeckte der Neurophysiologe Olds das Lustzentrum im Gehirn. Es ist im so genannten limbischen System lokalisiert. Von diesem System gehen auch andere Gefühle wie Wut und Aggression aus. Die Übertragung solcher Gefühlsreaktionen erfolgt durch die Vermittlung von Neurotransmittern im neurovegetativen System. Deren Aktivität wird durch bestimmte Hormone bzw. Neuromodulatoren erweitert oder vermindert. Dazu gehören die Endorphine, oft auch als »Glückshormone« bezeichnet, und die Encephaline. Der US-amerikanische Neurologe William F. Fry stellte in kontrollierten Untersuchungen fest, dass ausgiebiges Lachen zu einem Abbau von Stresshormonen wie Corticoiden und Catecholaminen führt. Es gibt auch Hinweise, dass die Produktion von Endorphinen bei intensivem Lachen gefördert wird. Allerdings ist das experimentell noch nicht erhärtet. Dies könnte aber mit ein Grund sein, weshalb häufiges Lachen auch in psychologischer Hinsicht positive Auswirkungen hat: Menschen, die viel lachen, erleben sich selbst als stark und kompetent und fürchten sich nicht vor sozialen Konflikten.


Das Immunsystem ist aktiver

Der amerikanische Schlafforscher James K. Walsh hatte schon im Jahre 1928 angenommen, dass die Widerstandskraft des Organismus gegen Krankheit erhöht ist, wenn ein Mensch häufig und regelmäßig lacht. Dies lässt sich durch die Befunde der modernen Lachforschung ausdrücklich bestätigen. So beobachteten Lee Berk und seine Mitarbeiter, dass die Zirkulation gewisser Immunsubstanzen nach einem Lachanfall für Stunden erhöht ist. Die Zahl der T-Lymphozyten steigt an, die Aktivität und Anzahl der natürlichen Killer-Zellen ist erhöht und die Antikörper der Immunglobulin-A-Klasse vermehren sich. Auch Gamma-Interferon, das die Zellen ansonsten zur Bekämpfung einer Virusinfektion ausschütten, ist im Blut nach ausgiebigem Lachen vermehrt nachweisbar. Möglicherweise sind diese Immunreaktionen eine Erklärung dafür, dass fröhliche Menschen, die eine positive Lebenseinstellung haben, seltener erkranken. Hier sind allerdings noch weitere Untersuchungen nötig, die diese Ergebnisse bestätigen.


Stress lässt sich weglachen

Eine Stressreaktion wird zentralnervös gesteuert und regt Atmung, Kreislauf, Herz und Bewegungsapparat deutlich an. Stress ist nicht grundsätzlich gefährlich; es entsteht erst dann ein gesundheitliches Problem, wenn er zu einem Dauerzustand geworden ist. Entscheidend ist, dass die betroffenen Bereiche des vegetativen Nervensystems nicht ständig angeregt sind, sondern die Anspannung regelmäßig unterbrochen bzw. abgebaut wird. Dies ist der Fall, wenn es zu einer durchgreifenden emotionalen und muskulären Entspannung kommt. Es gibt viele Möglichkeiten, diesen Entspannungszustand herbeizuführen. Lachen ist eine davon. Allerdings ermöglicht nur ein ausgiebiges, intensives Lachen, das länger andauert, diese heilsame Entspannung. Denn die Wirkung des Lachens ist paradox: Lachen löst die Stressreaktion nämlich zunächst selbst aus. Kurzfristig erhöht sich die Herzfrequenz, der Blutdruck steigt entsprechend an, so dass man von einer Schockwirkung sprechen kann. Doch nach wenigen Minuten stellt sich eine anhaltende Entspannungsphase ein: Der Herzschlag verlangsamt sich und verbleibt auf einem niedrigen Niveau. Dabei entspannt sich die Muskulatur der Arterien, so dass sich das Gefäßvolumen erhöht: Der Blutdruck wird dadurch längerfristig reduziert.


Lachen wirkt gegen Schmerzen

Die Skelettmuskulatur wird beim Lachen ebenfalls zunächst angespannt, um sich allmählich dauerhaft zu entspannen. Dies ist nicht zuletzt für die Schmerzbehandlung von Bedeutung, da viele Schmerzen mit einer anhaltenden Muskelspannung verbunden sind. Man nimmt zudem an, dass auch die Schmerzempfindlichkeit durch Lachen herabgesetzt wird. Paul McGhee, ein Pionier der Lachforschung, hat herausgefunden, dass sich die Schmerzgrenze nach oben verschiebt, wenn die Versuchspersonen ein lustiges Video ansehen.

Alles in allem ist das Lachen ein richtiger Gesundbrunnen. Es setzt Selbstheilungskräfte frei, die wir im normalen Alltagsleben viel zu wenig nutzen. Wer sich bewusst entscheidet, ausgiebig zu lachen, kann also einen positiven Prozess für seine Gesundheit in Gang setzen.

© Dr. Michael Titze
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